Die Wiedereinrichtung des Nonnenordens in den Theravada-Ländern

von Petra Kieffer-Pülz

In der Theravada-Tradition gibt es keine gültige Vollordination für Frauen mehr. Die lebendige Nonnentradition brach mit dem Aussterben des Buddhismus ab. Petra Kieffer-Pülz hat die Neuerrichtung des Nonnenordens in Sri Lanka sorgfältig recherchiert. Im folgenden Artikel berichtet sie von Bestrebungen in Sri Lanka, Thailand und Birma, den Nonnenorden wiedereinzurichten. In all diesen Ländern ist die Diskussion im Fluß und lässt somit auch in einigen Punkten den im folgenden beschriebenden Stand der Dinge hinter sich.

Der Buddha richtete den Nonnenorden erst nach der Etablierung des Mönchsordens auf Drängen des Ananda ein. Als die erste Form der Nonnenordination gilt die Aufnahme der Stiefmutter des Buddha, Mahaprajapati Gautami, und 500 weiterer Sakya-Frauen. Die Historizität dieser Ordina­tionsform ist allerdings umstritten.

Die erste reguläre Ordination von Nonnen, die uns im Gesetzestext der Theravadin, dem Vinayapitaka,überliefert ist, sieht vor, dass Nonnen von Mönchen ordiniert werden. Dies ist ein logischer Schritt, wenn es gar keine Nonnen gibt. In einem zweiten Schritt wurde diese Aufgabe dem Nonnenorden selbst übertragen. Die letzte im Vinaya beschriebene Ordinationsform sieht vor, dass Nonnen zuerst von einem Nonnenorden ordiniert werden und anschließend eine zweite Ordination vom Mönchsorden erhalten.

Damit führen zwei separate rechtlich handlungsfähige Gremien getrennte Rechtshandlungen durch. Jede der Rechtshandlungen muss den Regeln entsprechen und jedes der Gremien muss das jeweils andere rechtlich anerkennen. So entstanden bei der Nonnnenordination leichter Fehler als bei der Mönchsweihe.

Nach Etablierung des Nonnenordens entwickelten sich im frühen Buddhismus im Laufe der Zeit verschiedene Schulen, etwa 18 Schulen des Hïnayana-Buddhismus. Bis heute haben nur drei davon überdauert, nämlich die Dharmaguptaka in China, Taiwan, Korea, Vietnam usw., die Mýlasarvastivadin in Tibet und allen Gebieten, welche den tibetischen Buddhismus pflegen, sowie die Theravadin in Sri Lanka, Birma, Thailand etc. Von diesen dreien hat nur die Schule der Dharmaguptaka eine lebendige Nonnentradition bewahrt.

Eine lebendige Nonnentradition gab es früher in Indien, Zentralasien (Ostturkestan, 6.-10. Jh.), in China und den von China missionierten Gebieten, in Nepal (5.-11. Jh.) und in Sri Lanka. Wie es sich in Birma verhielt, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Nach Tibet soll die volle Ordination für Nonnen nicht gelangt sein; auch für Thailand, Kambodscha etc. liegen bislang keine positiven Ergebnisse vor.

Die Nonnen-Tradition Indiens brach spätestens mit der muslimischen Invasion und dem damit verbundenen Aussterben des Buddhismus ab. Die letzten inschriftlichen Belege stammen aus dem 7./8. Jh. n. Chr. In China, Korea, etc. ist bis heute die Dharmaguptaka-Tradition lebendig. In Sri Lanka brach in der Mitte des 11. Jh.s, in den politischen Wirren nach der Cola-Invasion, die Mönchsordination und spätestens damit auch die Nonnenordination ab, da nicht mehr genügend Mönche bzw. Nonnen vorhanden waren, um eine Neuordination vorzunehmen.

Der herrschende König Vijayabahu I (1055-1110) griff zum ersten Mal zu einer neuen Methode, indem er eine neue Ordinationslinie für Mönche aus einem anderen Theravada-Land, in diesem Fall aus Birma, einführen ließ. Eine Ordinationslinie für Nonnen wurde jedoch nicht mit eingeführt. Die Methode des Wiedereinführens von Ordinationslinien fand von da an immer wieder Anwendung. Die heute in Sri Lanka existierenden Mönchstraditionen gehen auf Ordinationslinien zurück, die im 18. Jh. aus Thailand und im 19. Jh. aus Birma wieder eingeführt wurden. Somit existiert in der Theravada-Tradition schon seit langem keine gültige Voll­ordination für Frauen mehr.

Ab dem Ende des 19. Jhts entstand in Sri Lanka die Bewegung der so ge­nannten "Nonnen mit 10-Gelübden" (Dasa-sil-matas), einer Bewegung von Frauen, die sich wie Nonnen kleiden, aber statt der 311 für Nonnen geltenden Regeln nur zehn Regeln auf sich nehmen.

Ab den 1980er Jahren organisierten sich die Dasa-sil-matas stärker. 1983 startete das "Department of Buddhist Affairs" ein Programm, um den Dasa-sil-matas eine Ausbildung zu ermöglichen, die vorher den Mönchen vorbehalten war. Ab 1995 gaben 15 monastische Institutionen Kurse für Dasa-sil-matas. Dasa-sil-matas erhielten spezielle Ausweise, damit war ihr Status gleichsam anerkannt.

Neben dieser Bewegung gab es in allen Theravada-Ländern seit dem späten 20. Jh. Bestrebungen, eine neue Nonnenordination zu begründen. Einen wesentlichen Anteil daran hatte die 1987 von buddhistischen Frauen anlässlich einer Konferenz in Bodh Gaya gegründete internationale Vereinigung Sakyadhita sowie das 1989 gegründete "International Network of Engaged Buddhists".

In Analogie zu der Wiedereinführung von Mönchsordinationen aus anderen Theravada-Ländern nach Sri Lanka wollte man die einzige heute noch bestehende Nonnenordination, nämlich die der Dharmaguptaka-Schule, aus China nach Sri Lanka einführen.

Einwände gegen die Nonnenordnination

Da die Ordinationstradition ununterbrochen bis auf den Buddha zurückreichen muss, um gültig zu sein, bzw. eine einmal völlig abgebrochene Tradition nicht wieder belebt werden kann, ist es eines der wichtigsten Anliegen, eine reine und rechtlich gültige Ordinationslinie zu bewahren. Das führt dazu, dass jede Schule ihre eigenen Ordinationslinien tradiert und sich nicht mit anderen Rechtsschulen mischt.

Die gegen eine Einführung der Nonnenordination aus China nach Sri Lanka erhobe­nen Einwände waren zahlreich. Einer der meist geäußerten Einwände ist, dass Nonnen aus China "Mahayana-Nonnen" und deshalb korrupt seien. Über das Misstrauen gegenüber anderen Traditionen hinaus ist die Unterschied­lichkeit der Rechtsregeln relevant:

Die Kritiker erklären, dass eine Wiedereinführung der Nonnen-Tradition nicht möglich sei, da es weltweit keine Theravada-Nonnentradition mehr gebe. Dem halten die Befürworter entgegen, dass die heute in China lebendige Nonnentradition im 5. Jh. n. Chr. von Sri Lanka nach China gebracht worden sei, also ursprünglich eine Theravada-Ordinationslinie war. Auf das Gegenargument, dass die heute in China gepflegte Nonnentradition einer anderen Rechtsschule, nämlich jener der Dharmaguptaka folgt, wird erwidert, dass die Dharmaguptaka eine Untergruppe der Theravadin seien, was nicht zutrifft.

Aus rechtlicher Sicht bleibt der Umstand, dass sich die Dharmaguptaka-Tradition in China über 2000 Jahre un­abhängig von der ceylonesischen Tradition entwickelt hat. Wer Gründe sucht, weshalb die Wieder-Einführung nicht möglich ist, wird in dieser langen Entwicklung genügend Abweichungen von der Rechtstradition der Theravadin finden.

Das Problem bei der Wieder­einführung der Nonnenordination aus China ist, dass die im Nonnenorden nach der Dharmaguptaka-Rechtstradition ausgeführte Nonnenordination von den The­raväda-Mönchen akzeptiert werden muss. Die ordinierten Nonnen sind von der Nonnentradition her Dharmaguptaka, nach der vom Mönchssangha vollzogenen Ordination Theravadin.

Die Dharmaguptaka und die Theravadin unterscheiden sich voneinander unter anderem im Hinblick auf die Regeln, mit denen sie die buddhistische Gemeindegrenze festlegen. So kennt die Dharmaguptaka-Tradition eine größere Zahl von Kenn­zeichen, die eine solche Grenze markieren können, darunter auch solche, die in der Theravada-Tradition ausdrücklich verboten sind, z.B. Mauern. Wenn also die heute bestehende Dharmaguptaka-Tradi­tion irgendwann in ihrem langen Bestehen eine Ordination innerhalb einer Grenze mit Mauerkennzeichen durchgeführt hätte, wäre diese Grenze und damit auch die in ihr vollzogene Ordinationen in den Augen der Theravadin ungültig. Ein weiterer Punkt ist, dass die Formulare für die Festlegung einer Sïma, die im Vinaya der Dharmaguptaka überliefert sind, von denen der Theravadin im Wortlaut ab­weichen. So wäre selbst eine von den Dharmaguptaka perfekt vollzogene Nonnen-Ordination für die Theravada-Mönche rechtlich ungültig.

Sri Lanka: Nonnenorden etabliert

Zur Wiederbelebung einer Nonnenordination in Sri Lanka brachte 1988 der Ehrwürdige Prof. Havenpola Ratanasara Mahathera ausgewählte ceylonesische Dasa-sil-matas nach Los Angeles, wo sie durch Nonnen aus Taiwan sowie Mahayana- und Theravada-Mönchen ordiniert wurden. Die meisten älteren Mönche Sri Lankas lehnten diese Ordination ab.

Nach der dritten Sakyadhita-Konferenz 1993 in Sri Lanka fand die Idee der Wiedereinführung einer Nonnenordination mehr Unterstützung. Am 8. Dezember 1996 organisierte der Ehrwürdige Mapala­gama Vipulasara Mahathera im indischen Sarnath die Vollordination zehn ceylonesischer Dasa-sil-matas; sie wurde von koreanischen Mönchen und Nonnen sowie ceylonesischen Mönchen ausgeführt.

Im Februar 1997 gründete der Ehrwürdige Inamaluwe Sumangala Thera, der Abt des Goldenen Tempels von Dambulla in Sri Lanka, eine "Akademie zur Ausbildung von Nonnen". Vom 14.-23. Februar 1998 fand in Bodh Gaya, Indien, auf Einladung des Fo-guang-Shan-Zentrums aus Taiwan die "Internationale Höhere Ordination" statt. Rund 150 Personen aus rund 20 Ländern, davon 14 Männer und 135 Frauen, erhielten hier ihre Ordination, unter ihnen auch 22 ceylonesische Dasa-sil-matas.

Die Ordinationszeremonie folgte der Dharmagupta-Tradition. Dann erhielten die Kandidaten eine erneute Ordination von den taiwanischen Mönchen und Nonnen und anschließend die Höhere Ordination in Gegenwart ceylonesischer Mönche. Die hier ordinierten Nonnen werden nicht von allen ceylonesischen Mönchen als Nonnen anerkannt.

Die erste Vollordination auf ceylonesischem Boden fand am 12. März 1998 in Dambulla statt. Ordiniert wurde eine Gruppe von 22 Dasa-sil­matas. Ort der Ordination war die Gemeindegrenze des Dambulla-Tempels, die bis dahin ausschließlich von Mönchen benutzt worden war. Erstaunlicherweise gab es keine negativen Stellungnahmen von ceylonesischen Mönchen. Dieser ersten Ordination auf ceylonesischem Boden folgten bald weitere.

Mit der ersten Ordination auf ceylonesischem Boden im Jahr 1998 gilt nach Ansicht einiger die Nonnenordination als endgültig etabliert. Andere setzen die vollständige Wiedereinrichtung mit der Durchführung der Vollordination am 24. März 1999 im Rajamahavihara von Dambulla gleich. Hier empfingen 20 Dasa-sil-matas die Weihe von einer Gruppe hoher Mönche und in den vergangenen Jahren im Ausland vollordinierter Nonnen aus Sri Lanka unter Leitung des Bhikkhu Dhammasara von Mt. Lavinia (Colombo).

Einer der drei großen Nikayas Sri Lankas, nämlich der Amarapuranikaya, anerkennt und unterstützt nun die Vollordination der Nonnen. Eine besonders aktive Rolle nahm das Mönchs-Kloster in Dambulla mit seinem Abt, dem Ehrwürdigen Inamaluwe Sumangala Thera ein, der dem Syama-Nikaya angehört.

Dass die wiedereingeführte Nonnentradition in Sri Lanka großen Anklang findet, zeigt sich daran, dass weitere Ausbildungs-Zentren entstanden, so in Newgala, Panadura, Kalundewa und Anuradhapura. Mittlerweile richten Nonnen auch in ihren eigenen Nonnenklöstern Ausbildungszentren ein, um jüngere zu unterrichten. Die Akademie in Dambulla nimmt eine Vorreiterrolle ein. Ende des 20. Jahrhunderts zählte man 200 ordinierte Nonnen in Sri Lanka, im August 2005 bereits mehr als 400.

Wenig Akzeptanz in Thailand und Birma

In Thailand und Birma fehlt die Akzeptanz für die Wiedereinführung des Nonnenordens. In Birma schlug in den 30er Jahren des 20. Jhs. ein Versuch fehl, die Nonnentradition durch den Mönch Shin Adicca wieder einzuführen. Ein weiterer wird dem Lehrer des weithin bekannten Mahasi Sayadaw zugeschrieben, auch bekannt als Jetavana Sayadaw, der in einem in den 1950er Jahren verfassten Buch die Ordination von Frauen befürwortete. 1970 gab es ein erfolgloses Gesuch einer Birmanin an die Regierung. Eine Birma­nin, die nun im Zuge der Wiedereinführung der Nonnenordination in Sri Lanka ihre Ordination erhalten hatte, wurde in Birma zum Verlassen des Ordens gezwungen.

In Thailand ließ Narit Bhasit, bekannt als Narin Klueng, seine beiden Töchter ordinieren und erbaute ein Kloster für Nonnen, den Wat Nariwong. Dieser Vorfall veranlasste das Sangha Supreme Council 1928, Mönchen zu verbieten, Nonnen, Novizinnen (Sikkhamanas) zu ordinieren. Dieses Gesetz gilt bis heute. Ent­sprechend stößt auch die Ordination einer prominenten Thailänderin, Dr. Chatsu­marn Kabilsingh, vormals Professorin an der Thammathat-Universität in Bangkok und Gründungsmitglied der Frauenorganisation Sakyadhita, auf heftige Ablehnung. Nur eine zweite Frau in Thailand schloss sich bis Juli 2001 ihrem Beispiel an und ließ sich ordinieren (Jamnian Rattaburi).

Da sich der Klerus in Thailand relativ geschlossen gegen eine Bhikkhuni-Ordination stellt, gibt es keine Ausbildungsprogramme für Nonnen. Personen, die sich für eine Wiedereinführung der Nonnen-Ordination aussprechen, sind über­wiegend Universitätsangestellte und Frauen. Selbst fortschrittliche Mönche halten sich dagegen in Thailand sehr bedeckt.


Auszug aus einem Artikel erschienen in "Tibet und Buddhismus" Nr. 79 – Okt.-Dez. 2006

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